University of Notre Dame
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The Story of Notre Dame


Amerika - Europa

Ein transatlantisches Tagebuch 1961 - 1989

Klaus Lanzinger


South Bend, [1.] Juli 1968

The Non-Proliferation Treaty

Die Unterzeichnung des Vertrages über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, bzw. Atomwaffensperrvertrages in Moskau, London und Washington kann als bedeutendster Schritt zur Sicherung des Friedens gewertet werden, der in den letzten zwei Jahrzehnten unternommen wurde. Die imminente Gefahr eines Atomkrieges wird damit wesentlich vermindert, das Gleichgewicht des Schreckens teilweise entschärft. Andererseits wird damit aber auch die Teilung der Welt in zwei Machtblöcke und Einflusssphären neuerdings gefestigt.

[Nach langjährigen Verhandlungen unterzeichneten die Sowjetunion, Grossbritanien und die USA am 1. Juli 1968 den Non-Proliferation Treaty, womit sie sich verpflichteten, keine Atomwaffen an andere Länder weiterzugeben. Die Atommächte Frankreich und die Volksrepubllik China schlossen sich dem Vertrag nicht an. Gleichzeitig wurden die Gespräche zur Einschränkung der Atomwaffen, die Strategic Arms Limitation Talks (SALT) zwischen Amerika und Russland eingeleitet. Die Gespräche über den Atomsperrvertrag und die atomare Abrüstung blieben ein andauerndes Verhandlungsthema über Jahrzehnte hinaus.]

South Bend, [Mitte] Juli 1968

Die Entente zwischen Amerika und Russland

Zwingende Vernunftgründe der reinen Selbsterhaltung lassen die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion einander näher kommen und trotz unleugbarer ideologischer Differenzen pragmatische Lösungen zu den weltpolitischen Problemen finden. Im Grunde genommen stehen sich die amerikanische und die russische Bevölkerung nicht feindlich, sondern eher mit gegenseitiger Sympathie gegenüber. Eine Entente cordiale zwischen Amerika und Russland ist im Entstehen, die diplomatische Konzessionen auf beiden Seiten einräumt, den Kulturaustausch neu belebt und die wissenschaftliche Zusammenarbeit fördert.

South Bend, [Mitte] Juli 1968

Auf der Suche nach der afro-amerikanischen Identität

Die schwarze Minderheit sucht derzeit ihre Identität innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Dabei wird versucht, das historische verschüttete Erbe der afrikanischen Herkunft aufzudecken und dessen Beitrag zur amerikanischen Geschichte hervorzuheben. Im amerikanischen Sprachgebrauch setzt sich anstatt “colored,” “black” oder “Negro” immer mehr die Bezeichnung “African-American” oder “Afro-American” durch. Die schwarze Minderheit in Amerika befindet sich in dem wichtigen historischen Prozess der Selbstverwirklichung, aus dem sie mit einem ihr eigenen persönlichen Bewusstsein hervorgehen wird. Nach dieser schwierigen Übergangsphase wird der Afro-Amerikaner mit mehr Selbstvertrauen, bewusster Individualität und gestärktem Rückgrat seinen Platz in der amerikanischen Gesellschaft einnehmen.

South Bend, [Ende] Juli 1968

Wie den langen Sommer verbringen?

Die Amerikaner wissen oft nicht recht, was sie mit dem langen Sommer anfangen sollen, der mit dem “Memorial Day weekend” Ende Mai beginnt und mit dem “Labor Day weekend” anfangs September endet. In diese Zeit fallen auch die langen Schulferien. Die Teenager suchen sich meistens einen “summer job,” schreiben sich in eine Sommerschule ein, oder gehen auf ein “summer camp.” Viele Erwachsene nehmen Zeichen- oder Malkurse und stellen dann ihre mittelmässigen Produkte in einer endlosen Reihe von Amateurausstellungen aus. Der Traum von vielen bleibt aber doch, eine Besichtigungstour durch Europa zu machen. Der Amerikaner bleibt selten an einem Ort, um sich auszuruhen. Zum Unterschied zu den Europäern fahren die Amerikaner nicht auf Urlaub. Es ist jedenfalls eine ganz andere Art Urlaub zu machen wie in Europa. Die meisten Familien verbringen die Ferien mit den Kindern in der Nachbarschaft, wo sie wohnen. Die Lebensverhältnisse des amerikanischen Mittelstandes sind daraufhin angelegt, dass im Umkreis des eigenen Hauses in der Suburbia genügend Grünfläche, Sportanlangen sowie ein Schwimmbad zur Verfügung stehen. Da der Sommer in Amerika unangenehm heiss, feucht und drückend sein kann, verbringt man viele Stunden des Tages in klimatisierten Räumen. Wenn man reist, will man etwas Neues sehen und erleben. Im Sommer bewegen sich Karawanen von Wohnwagen aller Grössen mit den verschiedensten Zielrichtungen übers Land. Man fährt entweder in die Nationalparks in den Rocky Mountains, zu den Küstengebieten am Atlantik oder Pazifik, oder man besucht Verwandte, die meistens weit entfernt wohnen. Die Amerikaner lieben das “outdoors,” das Leben im Freien, wozu das Picknick, jede Art von Ballspiel und Wassersport gehören. Wenn nach dem Labor Day die Schulen wieder beginnen, ist der lange Sommer zu Ende.


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