University of Notre Dame
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The Story of Notre Dame


Amerika - Europa

Ein transatlantisches Tagebuch 1961 - 1989

Klaus Lanzinger


Innsbruck, [Anfang Juli] 1969

Eindrücke von Europa

Wenn man nach längerem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten in München, Wien oder in irgendeiner anderen Stadt in Europa landet, erlebt man unwillkürlich einen leichten Schock. Man ist zuerst von der Armseligkeit betroffen, der man auf Schritt und Tritt begegnet. Die Menschen sehen abgehärmt und ungepflegt aus, und trotz des vermeintlichen Wohlstandes merkt man die Unzulänglichkeiten. Der Strassenverkehr mutet einem wie Gulliver in Lilliput an. Das Fahrrad ist hier noch ein vielbenutztes Fortbewegungsmittel. Die Kleinfahrzeuge aller Art, die sich unter die Krafträder, Schubwägen und Pferdefuhrwerke mischen, lassen das Strassenbild verwirrend erscheinen. Der Autobahnverkehr stösst die Fahrzeuge an der Peripherie von den Grossstädten ab, ohne durch Expressbahnen in das Zentrum zu führen. Jeder versucht dann auf seine Art das Zentrum zu erreichen und das Fahrzeug abzustellen. Einen Parkplatz zu finden bedarf der grössten Geschicklichkeit, da Hoch- und Tiefgaragen meistens fehlen. Was in Europa schon seit Jahrhunderten steht, steht solide und festgebaut. Die modernen technischen Einrichtungen machen dagegen einen schwindsüchtigen, blechernen Eindruck. Sie sind zu klein bemessen und werden in ihrer Leistung vielfach überfordert. Es fehlt noch an einer grosszügigen städtebaulichen Planung.

Die Emigration

Es ist ein grosser Unterschied, ob man aus Amerika von einer Besichtigungsreise zurückkommt oder mit dem Entschluss, auszuwandern. Unwillkürlich tut sich selbst unter Verwandten und engsten Freunden eine trennende Wand auf. Es entsteht ein unbegreifliches Köpfeschütteln darüber, wie man einen so schönen Platz verlassen kann, um nach Amerika zu gehen. Die Missverständnisse zwischen Amerika und Europa sind hier im Keim bereits vorhanden. Wer immer sich mit dem Gedanken trägt, nach Amerika zu emigrieren, tut gut daran, gleich von Anfang an, mit der Realität zu Rande zu kommen.

Innsbruck, 21. Juli 1969

Apollo 11 – Die Mondlandung

Am gestrigen Sonntag, den 20. Juli, um ca. 21 Uhr MEZ [4:17 p.m. EDT] setzte die Mondfähre “Eagle” in einer perfekten weichen Landung auf der Oberfläche des Mondes auf. Sechs Stunden später betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. Seine ersten Schritte waren zaghaft, wurden aber bald sicher und von spielerischer Leichtigkeit. Ihm folgte aus der Mondfähre Edwin Aldrin, Jr., während Michael Collins im Raumschiff Apollo 11 den Mond umkreiste. Armstrong und Aldrin boten den staunenden Erdbewohnern, die das Unternehmen auf den Bildschirmen verfolgen konnten, ein Schauspiel ohnegleichen.

Obwohl die amerikanische Mondlandung schon seit Monaten feststand, ging vom tatsächlichen Ereignis eine ausserordentliche psychologische Wirkung aus. Das war einer der erregendsten Augenblicke des Jahrhunderts. Als Neil Armstrong seinen Fuss auf die Mondoberfläche setzte, identifizierte sich mit ihm die ganze Menschheit. Es entstand ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, wie es bisher noch nie erlebt wurde. Es überbrückte den Ost-West-Konflikt und breitete sich über alle Kontinente aus. Ein Jubel brach auf den Strassen aus, ein Taumel der Begeisterung, der vom Stolz über diese Leistung erfüllt war. Ein Optimismus machte sich breit, der die Menschheit am Beginn eines neuen Zeitalters sah. Offensichtlich war das Zeitalter der Raumflüge angebrochen, das dem Menschen ungeahnte neue Möglichkeiten eröffnete.

Die amerikanische Weltraumfahrt hat ohne Zweifel den Wettlauf zum Mond gewonnen, was einen grossen Prestigegewinn für die Vereinigten Staaten mit sich bringt. Doch an diesem Projekt der NASA fühlt sich die gesamte Menschheit mitbeteiligt. Die Mondlandung hat aber auch gezeigt, dass nur ein hochindustrialisierter Kontinentalstaat imstande ist, die finanziellen Mittel dafür aufzubringen und die technisch-wissenschaftliche Organisation durchzuführen. In einer gigantischen organisatorischen Anstrengung haben Hunderttausende von Wissenschaftlern, Technikern und Hilfspersonal über Jahre am Apollo Projekt zusammengearbeitet. So konnte das Versprechen von John F. Kennedy, noch in diesem Jahrzehnt einen Menschen auf dem Mond zu landen, eingehalten werden.

24. Juli 1969

“Splashdown” im Pazifik

Um 17:51 Uhr MEZ [12:51 p.m. EDT] ging die Raumkapsel von Apollo 11 in der Nähe von Hawaii im Pazifik nieder. Die drei Astronauten – Armstrong, Aldrin und Collins – wurden nach ihrer historischen Reise sicher aus dem Ozean gehievt und mit dem Hubschrauber an Bord des Flugzeugträgers Hornet gebracht, wo sie von Präsident Nixon begrüsst wurden. Die Astronauten mussten sich nach der Landung einer Quarantäne unterziehen, um sicher zu gehen, dass keine unbekannten Bakterien vom Mond zur Erde übertragen werden.

[Eine Reihe von weiteren Mondlandungen wurden durch die Flüge von Apollo 12-17 durchgeführt. Anfangs Dezember 1972 wurden die bemannten Mondlandungen der NASA mit Apollo 17 abgeschlossen.]

Innsbruck, [Ende Juli] 1969

Regierungskrise in Italien

Die politische Unsicherheit und mangelnde Stabilität in Europa bringt immer Überraschungen mit sich, die den Sommerurlaubern gründlich die Erholungsfreude verderben können. In der ärgsten Juli Hitze bemühte sich die zurückgetretene italienische Regierung krampfhaft um die Bildung eines Minderheitskabinetts, das schliesslich auch zustandekam. Während der Regierungskrise traten die Kellner und das ganze Hotelpersonal in den Proteststreik, wovon der Feriengast in Italien am meisten betroffen war.


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