University of Notre Dame
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The Story of Notre Dame


Amerika - Europa

Ein transatlantisches Tagebuch 1961 - 1989

Klaus Lanzinger


South Bend, 3. April 1976

Nur mehr Nr. 2

Ronald Reagan hat in einer Wahlrede der Ford Administration vorgeworfen, sie habe durch die Détente Politik von Henry Kissinger zugelassen, dass die USA gegenüber der Sowjetunion militärisch auf den zweiten Platz zurückgefallen sind. Die UdSSR habe in fast allen Bereichen – Truppenstärke, Tanks, Flottenaufbau und selbst in bestimmten Kategorien des nuklearen Arsenals – an Vorsprung gewonnen. Die Kritik an der Détente bringt ein brisantes aussenpolitisches Thema in den Wahlkampf. Reagan möchte Helsinki revidieren, ohne allerdings zu sagen, wie er sich vorstellt, das zu bewerkstelligen.

South Bend, 4. April 1976

Fallout Shelter

Fast an jeder Strassenecke, in jeder Schule, jedem Postamt oder sonstigen öffentlichen Gebäude in Amerika ist das, nun allerdings schon sehr verblichene, gelbe Dreieck auf schwarzem Hintergrund mit der Aufschrift “Fallout Shelter” zu sehen. Das sind strahlensichere Räume, die der Zivilbevölkerung im Falle eines atomaren Angriffs Schutz bieten. Sie wurden in den 50er-und anfangs der 60er-Jahre für den Zivilschutz gebaut, als die Gefahr eines Atomkrieges ernst genommen wurde. Darin wurden auch Tonnen von “crackers” oder Zwieback gespeichert, um im Notfall die Ernährung zu sichern. Obwohl diese “fallout shelters” laufend auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden, haben sie im Zeichen der Détente an Dringlichkeit verloren. Niemand denkt mehr ernstlich an einen Atomangriff. Diese Aufschriften muten wie ein Relikt aus einer längst überwundenen Vergangenheit an. Das mag wohl zutreffen. Doch wie unschuldig müssen jene Länder gewesen sein, die sich über den atomaren Zivilschutz überhaupt keine Gedanken gemacht haben.

South Bend, 6. April 1976

Primaries in Wisconsin und New York

Obwohl bei der gestrigen Vorwahl in Wisconsin zuerst Morris Udall als Sieger erklärt worden war, stellte sich erst in den heutigen Morgenstunden heraus, dass wiederum Carter, wenn auch knapp, die “primary” gewonnen hat. Die Vorwahl in New York, die zur gleichen Zeit stattfand, gewann Henry Jackson vor Udall, während Carter auf dem vierten Platz landete. Es wird aber trotzdem immer klarer, dass Jimmy Carter die Nominierung der Demokratischen Partei nicht zu nehmen ist.

Der Kandidat

Die Überraschung dieses Wahljahres in den USA ist der frühere Governor of Georgia Jimmy Carter. Er hat das Image des Kandidaten schlechthin gewonnen. Unmittelbar nach der Wahl in Wisconsin kam Jimmy Carter heute Nachmittag auf wenige Stunden nach South Bend, um seine Wahlwerbung für die Indiana Primary zu starten. Seine Autokolonne fuhr unter schwersten Sicherheitsvorkehrungen durch den Notre Dame Campus, wo er im Stepan Center eine Wahlrede hielt. Als er vorbeifuhr, blitzte sein breites Lachen kurz auf. Der Beifall im Stepan Center war gut, aber keinesfalls enthusiastisch, wie es bei Robert Kennedy der Fall gesesen war. Das Erstaunliche bei Carter ist, dass er sich auf kein Programm festgelegt hat und trotzdem die Stimmen für sich gewinnt. Er tritt in erster Linie für die Ehrlichkeit in der Regierung ein, was nach dem Watergate Skandal die meiste Wirkung hat. Es ist auch klar geworden, dass weder die extreme Linke noch die extreme Rechte in diesem Wahlkampf eine Chance haben.

[Die Presseberichte zum Jimmy Carter Besuch am Notre Dame Campus vom 6. April 1976 sprechen davon, dass seine stärkste Überzeugungskraft in “telling the truth,” also darin liege, die Wahrheit zu sagen. Es wird auch darauf hingewiesen, dass der Zustrom zu George Wallace im Schwinden sei. Carter selbst stellte fest, dass er die Pennsylvania Primary am 27. April als entscheidenden Test für die Auseinandersetzung mit Henry Jackson betrachte. Cf. University of Notre Dame Archives, Jimmy Carter Visits, UDIS, Box 81/13 u. 14.]


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