Das Tor weit aufgestossen
Mit dem Staatsbesuch in Washington von Vice Premier Teng Hsiao-p'ing wurde das Tor zu China weit aufgestossen. Dem Gast aus Peking wurde ein grosser und herzlicher Empfang bereitet. Teng hinterliess auch den denkbar besten Eindruck. Er kam Amerika betont freundlich entgegen, sodass die 30-jährige feindliche Trennung der beiden Länder überwunden schien. Tengs Bestreben nach Modernisierung und Argwohn gegen Russland brachten ihn Amerika näher. Aber wird dieses gute Verhältnis andauern?
Die Gefahr bei der gegenwärtigen Euphorie amerikanisch-chinesischer Beziehungen könnte darin bestehen, dass zu rasch zu viel von Amerika nach China kommt. Denn wenn einmal die erste Neugierde befriedigt ist, und ein gewisser Sättigungsgrad eintritt, kann die Begeisterung für Amerika auch ins Gegenteil umschlagen. Dann wäre der Schaden grösser, als was im Augenblick gewonnen wird.
South Bend, 5. Februar 1979
Papst Johannes Paul II. in Mexiko
Der Besuch des Hl. Vaters in der letzten Jännerwoche in Mexiko war ein grosser Erfolg. Millionen von Menschen haben ihm zugejubelt. Durch den Besuch des Papstes wurde die Bedeutung unterstrichen, welche die mehr als 300 Millionen Katholiken Lateinamerikas innerhalb der Weltkirche haben, und welche verantwortliche Rolle die Kirche ihrerseits der Bevölkerung Lateinamerikas gegenüber einnimmt.
Anmerkung
[Papst Johannes Paul II. war einer Einladung der lateinamerikanischen Bischofskonferenz gefolgt, die in der letzten Jännerwoche 1979 in Puebla, Mexiko, tagte. Da die Republik Mexiko keine diplomatischen Beziehungen zum Vatikan unterhielt, kam Johannes Paul II. als Besucher mit einem Einreisevisum ins Land. Der Empfang der Bevölkerung war jedoch überwältigend spontan. Die Fahrt in der Autokolonne von Mexiko City nach dem 80 Meilen (128 km) entfernten Puebla gestaltete sich zum Triumphzug, über eine Million Menschen säumten den Weg. Johannes Paul II. setzte sich mit den theologischen und sozialen Problemen Lateinamerikas auseinander. Mexiko war die erste, und, wie George Weigel hervorhebt, auch eine der wichtigsten der vielen Pastoralreisen des Papstes. Es war der Beginn einer ständig wachsenden Bindung an die westliche Hemisphäre, in der rund die Hälfte aller Katholiken lebt. Vgl. George Weigel, Witness of Hope: The Biography of Pope John Paul II (New York: HarperCollins, 1999, pp. 282-87).]
South Bend, 6. Februar 1979
Senate Hearing über Taiwan
Noch während des Besuches von Teng Hsiao-p'ing begann das Foreign Relations Committee (Ausschuss für Aussenpolitik) des Senats ein hearing über Taiwan durchzuführen. Vom Gericht wurde bereits geklärt, dass Präsident Carter im Rahmen der Verfassung gehandelt hatte, als er die Entscheidung über China traf. Der Kernpunkt des Anhörverfahrens im Senat richtet sich auf die Frage, welche nun die legitime Regierung von Taiwan sei. Ist Taiwan nur eine Provinz der Volksrepublik ohne eigene Souveränität? Wer kann bei künftigen Verträgen verant-wortlich für Taiwan zeichnen? Sosehr sich Deputy Secretary of State Warren Christopher auch bemüht, die Lage von Taiwan zu beschönigen, bleibt doch die Tatsache bestehen, dass Taipei aussenpolitisch keine Eigenständigkeit mehr hat. Der Ausweg, alle Beziehungen mit Taiwan über private Organisationen durchzuführen, wirkt eher als zweifelhafte Behelfskonstruktion.
South Bend, 11. Februar 1979
Die Revolution im Iran
Der Vom Schah eingesetzte Ministerpräsident Shahpour Bakhtian ist heute zurückgetreten, nachdem in den Strassen von Teheran der Bürgerkrieg ausgebrochen war, und es offenkundig wurde, dass auch das Militär in seiner Loyalität geteilt ist. Damit ist der Weg frei geworden, dass Ayatollah Khomeini die angestrebte Islamische Republik verwirklichen kann. Wird es zu einer geordneten Staatsform kommen, oder ist das erst der Anfang der iranischen Revolution?
12. Februar 1979
Iran demonstriert eine regressive, nach rückwärts gerichtete Revolution, die mit Gewalt die modernen, westlichen Lebensformen abschafft und auf archaische Gepflogenheiten zurückgreift. Der Westen hat ohne Zweifel den leidenschaftlichen Eifer des islamischen Fundamentalismus unterschätzt. Was sich im Iran abspielt, ist eine von religiösem Fanatismus, nationalem Stolz und marxistischen Splittergruppen getragene Revolution.
[Ende Februar 1979 nahmen meine Frau und ich an einer Tagung über vergleichende Literatur und Kunstformen an der University of Indiana in Bloomington teil. Das gab mir die Gelegenheit, wenn auch nur flüchtig, mit einer grossen Staatsuniversität bekannt zu werden. Die Campus-Stadt Bloomington liegt 50 Meilen südlich von Indianapolis, der Hauptstadt von Indiana, entfernt.]
Bloomington, Indiana, 25. Februar 1979
Die Staatsuniversität
Im Jahre 1820 hatte die University of Indiana in Bloomington mit einem Professor und zehn Studenten ihren Unterrichtsbetrieb aufgenommen. Heute sind in Bloomington 32.000 und an der medizinischen Fakultät in Indianapolis weitere 20.000 Studenten inskribiert. Damit ist wohl die Absicht der Gründer, allen Bewohnern des Staates im demokratischen Geiste Zugang zur höheren Bildung zu vermitteln, in Erfüllung gegangen. Derzeit stellt sich das Problem, wie mit der Grösse der Institution und der Zahl der Studenten fertig zu werden, wie den humanen Geist zu bewahren, der in der Masse verloren zu gehen scheint. In dem 14 Stock hohen Gebäude der Geisteswissenschaften finden für 10.000 Studenten Vorlesungen wie in einem Bienenstock statt. Der Unterrichtsbetrieb kann nur mehr mit elektronischen Hilfsmitteln bewältigt werden.
Trotz der Automatisierung ist aber durch die stark ausgeprägte Bildungsbeflissenheit eine betont europäische Kulturatmosphäre entstanden. Bloomington ist eine der bekanntesten Ausbildungsstätten für Musik in Amerika und verfügt über eines der grössten Opernhäuser. In den Repräsentationsräumen wurde eine künstliche Atmosphäre im Tudorstil geschaffen. So wird der Gast im Speisesaal der Indiana Memorial Union, des Konferenzzentrums, mit dem Spruch begrüsst: We invite you to visit the Sixteenth Century where the Lord of the Manor and his family enjoyed a very special dining pleasure. Diese und ähnliche Aufschriften in den dunkelgetäfelten Räumen zeugen von einer verborgenen Sehnsucht nach der alten europäischen Kultur. Sie sind auch typische Beispiele für die in Amerika anzutreffende Ambivalenz zwischen einer aristokratischen Geschmacksrichtung und der demokratischen Lebensform.
Es fällt auch auf, dass Bloomington im Unterschied zu einer europäischen Universität ähnlicher Grösse keine schreienden marxistischen Parolen oder Graffiti auf den Wänden geschmiert zeigt, sondern den Eindruck eines friedlichen, ruhigen, studienorientierten Campus macht. Es ist eine Idylle in einer nüchternen Industrielandschaft.