University of Notre Dame
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The Story of Notre Dame


Amerika - Europa

Ein transatlantisches Tagebuch 1961 - 1989

Klaus Lanzinger


South Bend, 10. Juni 1979

Der erste Besuch in Polen

Die erste Pastoralreise, welche Johannes Paul II. in der vergangenen Woche in sein Heimatland unternommen hatte, war ein Ereignis, das die Welt mit Staunen und Bangen verfolgte. Millionen von Menschen haben den Heiligen Vater stürmisch begrüsst und mit ihm die Messe gefeiert. Braucht es eines besseren Beweises, dass die Religion in Polen, trotzdem sie jahrzehntelang verfolgt und unterdrückt wurde, lebendig geblieben ist? Der Papst versuchte, eine Verständigung mit der kommunistischen Regierung zu finden, lehnte aber die materialistische Philosophie des Marxismus unmissverständlich ab. Er betonte, dass der Mensch nicht allein durch seine wirtschaftliche Produktion zu verstehen sei. Die Worte, die in Polen ausgesprochen wurden, werden im ganzen kommunistischen Osten ihren Widerhall finden. Erst durch diesen Papstbesuch wurde sichtbar, wie tief verwurzelt die katholische Kirche in Polen geblieben ist. Dies, selbst auf die Ferne hin durch die Übertragungen miterleben zu können, war tröstend.

[Weigel bemerkt zum Empfang des Papstes in Polen: “No hero in Polish history. . . had ever entered Warsaw as John Paul II did on June 2, 1979.” Rund drei Millionen Menschen waren aus ganz Polen nach Warschau gepilgert, um ihren Papst zu sehen und mit ihm zu beten. Johannes Paul knüpfte an die Tausendjahrfeier der Kirche in Polen (966-1966) an. Er sei, sagte er, zur Verteidigung der Religion gekommen, und um die Würde und Rechte des Menschen aufs Neue zu bestätigen. Das war der Anfang des historischen Wandels, durch den schliesslich der Kommunismus in Osteuropa zu Fall gekommen ist. (Siehe George Weigel, Witness to Hope: Biography of Pope John Paul II, pp. 292-95.)]

South Bend, Sonntag, 17. Juni 1979

Das Gipfeltreffen in Wien

Das über dieses Wochenende stattfindende Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Jimmy Carter und dem sowjetischen Staatschef Leonid Breshnew in Wien hat die österreichische Bundeshauptstadt wiederum in den Mittelpunkt des Weltinteresses gerückt. Es geht um den Abschluss von SALT (Strategic Arms Limitation Talks) II, dem zweiten bilateralen Abkommen zur Begrenzung strategischer Waffen. Nach langjährigen Verhandlungen seit 1972 ist nun in den wesentlichen Punkten Einigkeit erzielt worden, sodass das fertige Vertragswerk morgen von Carter und Breshnew unterzeichnet werden kann.

Im Zusammenhang mit dem SALT II-Abkommen ist die atomare Abrüstung wieder zum öffentlichen Diskussionsthema geworden. Ungefähr kann man sich auch als Laie ein Bild darüber machen, worum es geht. Der Stand der strategischen Waffen soll reduziert und festgelegt werden. Darunter sind die in den USA und in der Sowjetunion stationierten Interkontinentalraketen mit atomaren Sprengköpfen zu verstehen, die beide Länder erreichen können. Die hauptsächlich in Europa aufgestellten Mittelstreckenraketen sind in diesem Abkommen nicht miteingeschlossen. Mit SALT II soll das atomare Gleichgewicht zwischen den beiden Supermächten erreicht werden. Die hohe Obergrenze [2.250 Trägerraketen auf beiden Seiten], auf der das atomare Arsenal eingeschränkt werden soll, macht es einsichtig, dass beide Supermächte die Möglichkeit haben, im Falle eines atomaren Schlagabtausches sich gegenseitig innerhalb einer Stunde auszulöschen und die nördliche Hemisphäre in eine strahlenverseuchte Wüste zu verwandeln. Durch diese gegenseitige Abschreckung soll garantiert werden, dass es nie zu einem Atomkrieg kommen wird.

Wien hat im Gegensatz zu dem schaurigen Gegenstand der Konferenz einen liebenswerten Rahmen geschaffen. Wann hat man schon im amerikanischen Fernsehen Bilder aus der Hofburg, der Staatsoper, von Melk und Klosterneuburg gesehen. Das neutrale Österreich hat sich als Gastland vortrefflich bewährt.

18. Juni 1979

Vom Redoutensaal direkt in den US-Kongress

Noch am selben Tag, nachdem das SALT II-Abkommen heute im Redoutensaal der Wiener Hofburg unterzeichnet worden war, flog Präsident Carter nach Washington zurück, um vor der Vollversammlung des Kongresses über den Abschluss des Abkommens mit der Sowjetunion zu berichten. Er flog um 14 Uhr MEZ von Wien ab und konnte durch den 6 Stunden Zeitgewinn um 9 p.m. EST zum Kongress sprechen. Carter sprach mit Zuversicht über SALT II und gab der Hoffnung Ausdruck, dass der Senat dem Abkommen zustimmen wird. Er unterstrich die Wichtigkeit der erreichten atomaren Parität mit der Sowjetunion, wodurch eine globale Auseinandersetzung mit Atomwaffen undenkbar geworden sei. Es seien durchaus nicht alle Konfliktstoffe zwischen Ost und West beseitigt worden, doch die Gefahr einer direkten Konfrontation wurde ausgeschlossen. Nach Carters Ansicht sei die Menschheit im Begriff, aus dem Zyklus von Weltkriegen mit dazwischenliegenden Friedenszeiten herauszukommen. Die Eröffnung der Debatte im Senat über SALT II ist bereits für 6. Juli festgelegt worden. Aller Voraussicht nach wird der Senat einen Zusatzartikel zum Abkommen verlangen.

Anmerkung

[SALT II wurde nie vom US-Senat ratifiziert. Die Debatte darüber zog sich über den Sommer 1979 hinaus. Die Opposition gab zu bedenken, dass die Sowjetunion einen Vorteil bei den grossen Trägerraketen habe, und dass die Überwachung, ob die Bestimmungen des Vertrages eingehalten werden, nicht verlässlich genug sei. Die Aussage vom früheren Secretary of State Henry Kissinger fiel ins Gewicht. Kissinger unterstützte das SALT II-Abkommen, brachte aber auch Einwände vor. Darunter war die Warnung, dass die forcierte Herstellung von SS-20 Mittelstreckenraketen in der Sowjetunion eine Gefahr für Westeuropa darstellen könnte. Nach der russischen Invasion von Afghanistan im Dezember 1979 kam SALT II nie zur Abstimmung im Senat. Die Sowjetunion und die USA haben jedoch die Bestimmungen des Abkommens eingehalten.]


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