Before the Summit - Vor dem Gipfeltreffen
In seiner Fernsehansprache an die Nation hat Präsident Reagan seine Hoffnungen, Pläne und Wünsche für das bevorstehende Gipfeltreffen in Genf dargelegt. Die Kampagne um die Gunst der öffentlichen Meinung, die schon seit Wochen in Amerika wie in Europa auf Hochtouren läuft, erreichte damit ihren Höhepunkt. In bewegten Worten setzte Reagan auseinander, dass mit dem Treffen in Genf ein Wendepunkt in den Beziehungen zur Sowjetunion eintreten könnte. Es sei ein verstärktes kulturelles Austauschprogramm geplant, um das gegenseitige Misstrauen abzubauen. Amerika sei auch bereit, auf den russischen Vorschlag einzugehen, den Bestand an Nuklearwaffen 50% abzubauen, wenn dies überprüfbar sei. Ob damit eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa zu erreichen ist, bleibt abzuwarten.
[Präsident Reagan flog mit rund 300 Beratern und Begleitpersonen am Samstag, den 16. November 1985 nach Genf. Am darauffolgenden Dienstag, den 19. November traf er zum erstenmal mit Mikhail Gorbatschow zusammen.]
Mittwoch, 20. November 1985
Der historische Händedruck
Der historische Händedruck zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem Generalsekretär der UdSSR Mikhail Gorbatschow fand gestern um 10 Uhr in der Villa Fleur d'Eau in Genf statt. Von dem Augenblick an blieb die Aufmerksamkeit der Welt auf das Genfer Gipfeltreffen gerichtet.
21. November 1985
Wenig konkrete Ergebnisse
Während Amerika noch tief im Schlafe lag, wurde in einer gemeinsamen Verlautbarung von Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow heute aus Genf 10 Uhr früh Ortszeit (4 Uhr früh EST) das Ergebnis ihres Gipfeltreffens bekanntgegeben. Ausser einem Kulturabkommen wurden keine Verträge unterzeichnet, auch keine greifbaren Ergebnisse in der Abrüstung von Atomwaffen erzielt. Reagan hat in seinem Beharren auf das SDI nicht nachgegeben, so wie von russischer Seite keine Konzessionen im Abbau der offensiven strategischen Nuklearwaffen gemacht wurden. Und trotzdem war das Genfer Gipfeltreffen ein Erfolg: Das Eis scheint gebrochen zu sein, die beiden Seiten sind sich im Gespräch nähergekommen, die Welt ist um einen Atemzug sicherer geworden. Es kann auch den Anfang für bessere amerikanisch-russische Beziehungen bedeuten, die das gegenseitige tiefe Misstrauen abbauen. Nach dem Abflug von Genf legte Gorbatschow eine Zwischenlandung in Prag ein, um die Mitglieder des Warschauer Paktes zu informieren, während Reagan in Brüssel die NATO-Partner auf dem laufenden hielt.
Dieses Gipfeltreffen in Genf hat wiederum gezeigt, wie eng die Welt durch das Medium Fernsehen zusammengeschlossen wurde. Man glaubte einfach, in Genf mit dabei gewesen zu sein. Zum erstenmal wurde ein amerikanischer Präsident auch im russischen Fernsehen in grösseren Ausschnitten sichtbar, während Gorbatschow im amerikanischen Fernsehen mehr von der menschlichen Seite gezeigt wurde. Es wird erst in einigen Jahren sichtbar werden, ob dieses Gipfeltreffen in der Tat eine Wende in der Weltpolitik brachte.
21. November, 10 Uhr abends EST
Alles an einem Tag
Vor einer Stunde wurde Präsident Reagan von der joint session of Congress, der gemeinsamen Sitzung von Haus und Senat stürmisch empfangen. Nach einem 20-Stunden-Tag zuerst Abschluss des Treffens in Genf, dann die Kontaknahme mit den NATO-Verbündeten in Brüssel, schliesslich der Rückflug über den Atlantik und unmittelbar nach der Ankunft auf der Andrews Air Force Base mit dem Helikopter zum Kapitol - berichtete Reagan dem Kongress über seine Gespräche mit Gorbatschow. Es war eine blendende Rede, die von einem 74-Jährigen nach einer solchen Gewalttour Respekt abverlangt. Wie Reagan berichtete, wird an der Reduzierung des atomaren Waffenarsenals weitergearbeitet. Trotz grundsätzlicher Unterschiede in den Auffassungen ist man sich entschieden nähergekommen. Gorbatschow wird Washington im nächsten Juni, und Reagan Moskau im Jahr darauf besuchen.