University of Notre Dame
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The Story of Notre Dame


Amerika - Europa

Ein transatlantisches Tagebuch 1961 - 1989

Klaus Lanzinger


South Bend, 20. Oktober 1968

Das Ende der liberalen Ära

Der bekannte amerikanische Fernsehkommentator David Brinkley hielt gestern in South Bend einen Vortrag über die gegenwärtige politische und geistige Situation. Brinkley, der sich selbst als “liberal” bezeichnete, stellte fest, dass der Liberalismus in Amerika vor dem Bankrott stehe. Seit 35 Jahren, seit dem New Deal von Franklin Delano Roosevelt, habe die liberale politische Überzeugung und Philosophie das Land beherrscht. Jedoch der Liberalismus habe sich verbraucht, zum Teil auch selbst verraten, er stehe unmittelbar vor der Ablöse durch den Konservativismus, wie ihn Richard Nixon vertritt. Präsident Johnson, der als “lame duck” (lahme Ente) nur mehr auf seine Ablöse warte, habe seine Aufgabe erfüllt. Nach der Ansicht von Brinkley sei die Bedeutung von Johnson darin zu sehen, dass er innenpolitisch versucht habe, die vom New Deal her noch offengebliebenen sozialen Reformen zum Abschluss zu bringen und sie auch zum Abschluss gebracht hat. Johnson habe aber auf dem Gebiet der Aussenpolitik versagt. Der Krieg in Vietnam habe die Johnson Regierung an den Rand des Abgrunds gebracht. Es sei der Beweis geliefert worden, dass ein amerikanischer Präsident keinen Krieg führen kann, der sich nicht auf eine Mehrheit der Wählerschaft stützt.

South Bend, 22. Oktober 1968

Weltraumflug – Apollo 7

Das Weltraumschiff Apollo 7 mit drei Astronauten (Walter Schirra, Donn Eisele und Walter Cunningham) an Bord hat einen an Perfektion kaum mehr zu überbietenden elf-tägigen Welraumflug um die Erde absolviert. Der Apollo 7-Flug war der entscheidende Test für die erste Mondumkreisung, die für Dezember zu erwarten ist. Der tragische Rückschlag, den die amerikanische Weltraumfahrt durch den Feuerausbruch beim Countdown des ersten bemannten Apollo-Weltraumfluges vor knapp zwei Jahren erlitten hatte, wurde durch den erfolgreichen Flug von Apollo 7 wieder wettgemacht.

[Präsident John F. Kennedy hatte 1961 mit den berühmt gewordenen Worten, “landing a man on the moon, before this decade is out, and safely returning him to earth” (einen Menschen auf den Mond zu landen, ehe dieses Jahrzehnt zu Ende geht, und ihn sicher zur Erde zurückzubringen) das Ziel des amerikanischen Weltraumprogramms festgelegt. Daraus entwickelte sich das Apollo-Programm, welches die amerikansiche Weltraumfahrt in den 60er-Jahren beherrschte. Kennedys vorgegebene Ziel konnte in der Tat noch vor Ende des Jahrzehnts mit der Mondlandung am 20. Juli 1969 verwirklicht werden.]

South Bend, 27. Oktober 1968

10 Tage vor der Wahl

Der Wahlkampf um die Präsidentschaft ist nun in seine letzte Phase eingetreten. Was noch vor Wochen als burleske Show erscheinen mochte, ist nun zur todernsten Angelegenheit geworden, bei der sich die drei Kandidaten (Humphrey, Nixon, Wallace) gegenseitig nichts schenken. Der Wahlkampf bleibt aber trotzdem diszipliniert, es kommt zu keinen Ausschreitungen, die demokratischen Spielregeln bleiben aufrecht. Wie entscheidend diese Wahl auch sein mag, verläuft sie doch in den traditionellen Bahnen der amerikanischen Politik.

South Bend, 31. Oktober 1968

Einstellung der Bombardierungen in Nordvietnam

Heute Abend gab Präsident Johnson über das nationale Fernsehen bekannt, dass die Bombardierungen in Nordvietnam eingestellt werden, und dass Hoffnung bestehe, den Krieg, wenn auch mit einer Kompromisslösung, zum Abschluss zu bringen. Es war nur affallend, dass diese wichtige Mitteilung aus dem Weissen Haus gerade eine Stunde vor der grossen Wahlkundgebung der Republikaner mit Nixon im Madison Square Garden in New York gemacht wurde. Dies gehört einfach in einem Wahljahr zum innenpolitischen Kräftespiel dazu.

Lehren aus dem Vietnamkrieg

Amerika hat aus dem Vietnamkrieg, der schon sechs Jahre andauert, einige bittere Lehren gezogen. In Hinkunft werden die Vereinigten Staaten im Falle von regionalen Konflikten nur mit grösster Zurückhaltung eingreifen und sich in Übersee engagieren, wenn nicht direkt nationale Interessen betroffen sind. Amerikanische Bodentruppen werden in bügerkriegähnlichen Auseinandersetzungen nur mehr selten eingesetzt werden. Es wird mit Nachdruck verlangt werden, dass diejenigen, die Hilfe brauchen, zuerst versuchen, sich selbst zu helfen. Eine gewisse Rückkehr zum Isolationismus ist unvermeidlich.


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