University of Notre Dame
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The Story of Notre Dame


Amerika - Europa

Ein transatlantisches Tagebuch 1961 - 1989

Klaus Lanzinger


South Bend, 4. November 1968

Am Vorabend der Wahl

Am Abend vor der morgigen Wahl des US-Präsidenten ist der Ausgang immer noch so ungewiss wie vor Monaten. Hubert Humphrey hat in den letzten Tagen den Vorsprung von Nixon aufgeholt, während der Kandidat der dritten Partei, George Wallace, den Süden hinter sich hat. Es wäre durchaus möglich, dass durch die Wallace Stimmen die Wahl in das Repräsentantenhaus verlegt und dann erst im Jänner entschieden wird, sollte keiner der Kandidaten der beiden grossen Parteien die relative Mehrheit der “electoral votes,” der Wahlmännerstimmen erreichen. Der Vietnamkrieg hat diese Wahl bis zum letzten Augenblick bestimmt.

South Bend, 6. November 1968

Eine äusserst knappe Wahlentscheidung

Während der vergangenen Nacht führte einmal Nixon, dann wieder Humphrey und umgekehrt. Bis in den Morgenstunden konnte niemand sagen, wer die Wahl gewinnt. Die Ostküste wählte geschlossen demokratisch, wie sich überhaupt der Parteiapparat der Demokraten als sehr zäh erwiesen hat. Doch immer klarer zeichnete sich die Stimmung im Lande ab, dass eine politische Ära zu Ende gehe. Zum erstenmal konnten durch Satellitenübertragungen auch Zuschauer in Europa, Australien und Asien die wichtigste Wahl der freien Welt am Bildschirm verfolgen. Um 9 Uhr früh war das Wahlergebnis noch offen. Erst als gegen 10 Uhr die Nachricht durchkam, dass Richard Nixon in Illinois führt und damit die 26 “electoral votes” von Illinois auf sich vereinen kann, stand fest, dass er die Wahl gewonnen hat. Das Wahlergebnis ist äusserst knapp. Nach dem vorläufigen Wahlergebnis gehen von den abgegbenen Stimmen an

Nixon 27.905.165, Humphrey 27.663.293, und an Wallace rund 8.000.000.*

Das Zweiparteiensystem hat in Amerika wiederum seine Stärke bewiesen. George Wallace führte im Süden, seine American Independent Party blieb aber mit 8 Millionen Stimmen auf nationaler Ebene weit zurück. Durch die Wahl von Richard Nixon werden die amerikanisch-europäischen Beziehungen wieder belebt werden. Das Schwergewicht der US-Aussenpolitik wird sich voraussichtlich wieder mehr den atlantischen Belangen zuwenden.

*[Nach der Aufstellung der New York Times vom 8. November 1968 lautet das endgültige Wahlergebnis wie folgt: Nixon 30.446.028, Humphrey 30.122.715, und Wallace 9.184.703 Stimmen. Im Senat haben die Demokraten 58, die Republikaner 41, und im Repräsentantenhaus die Demokraten 243, die Republikaner 192 Sitze.]

South Bend, 28. November 1968

Thanksgiving Day

Amerika beging diesen Thanksgiving Day in tiefem Frieden mit dem traditionellen Turkey, der Macy Department Store Monsterparade auf der 5th Avenue in New York und einer Reihe von Fussballspielen am Fernsehen. Thanksgiving ist das Fest der Familie, zu dem Verwandte quer über den Kontinent einander besuchen. Ein Gefühl der Ruhe und Zuversicht hat sich breitgemacht, da die Friedensverhandlungen zur Beendigung des Krieges in Vietnam bevorstehen. Die gut überstandene Präsidentschaftswahl hat viel zur Beruhigung beigetragen. Die auslaufende Periode des amtierenden bis zur Amtsübergabe an den neugewählten Präsidenten bedeutet immer eine poltische Ruhepause in Washington. Der Wechsel einer Administration, besonders wenn die regierende Partei abgelöst wird, bringt einen Umzug von Beamten und Politikern grossen Ausmasses mit sich. Am meisten haben die “moving companies” (Transporteure) und “realtors” (Immobilienfirmen) zu tun.


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