University of Notre Dame
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The Story of Notre Dame


Amerika - Europa

Ein transatlantisches Tagebuch 1961 - 1989

Klaus Lanzinger


South Bend, 16. Oktober 1978

Wie ein Lauffeuer

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich heute die Nachricht, dass ein Kardinal aus Polen, Karol Wojtyla, vom Konklave in Rom zum neuen Papst gewählt wurde. Das ist das erstemal seit 400 Jahren, dass ein nicht-italienischer und das erstemal überhaupt, dass ein polnischer Kardinal zum Papst gewählt wurde. Kardinal Wojtyla nahm den Namen Johannes Paul II. an.

Bewundernswert ist der Weitblick, mit dem ein Kardinal aus einem kommunistischen Land zum Papst gewählt wurde. In der polnischen Gemeinde von Chicago herrscht grosser Jubel darüber, dass der Erzbischof von Krakau nun den Stuhl Petri einnimmt. Man spricht dem neuen Papst eine gute Kenntnis der gegenwärtigen Lage der Kirche zu, insbesondere, was die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus im Osten betrifft. Er sei aufgeschlossen progressiv im sozialen Bereich, dagegen zurückhaltend konservativ in theologischen Fragen.

Sonntag, 22. Oktober 1978

Johannes Paul II.

Heute hat Johannes Paul II. seine erste Messe auf dem Petersplatz in Rom gefeiert. Die rund 300.000 Gläubigen, die sich zu seiner Inauguration eingefunden hatten, bereiteten ihm einen spontanen Empfang. Dieses Gefühl des Wohlwollens übertrug sich auch auf die hunderte Millionen von Menschen, welche die Messfeier auf dem Petersplatz über das Fernsehen mitverfolgten. Was macht den neuen Papst aus Polen so gewinnend? Er strahlt Güte aus und doch auch Entschlossenheit. Er ist sprachgewandt, neben den slawischen Sprachen beherrscht er auch Italienisch und Französisch und kann sich auf Deutsch und Englisch verständigen. Er ist ein blendender Rhetoriker und tritt mit gerandezu jugendlicher Frische sein Amt an. Vor allem aber gewinnt man die Zuversicht, dass dieser Papst die Kirche in das 21. Jahrhundert führen kann.

South Bend, 24. Oktober 1978

Massnahmen zur Inflationsbekämpfung

Präsident Carter kündigte Massnahmen zur Bekämpfung der schleichenden Inflation in Amerika an. Dazu schlägt er vor, dass 1) die Lohnerhöhungen bei 7% gehalten werden; 2) die Preiserhöhungen die 6% Grenze jährlich nicht übersteigen sollen; und 3) die Bundesregierung eine Postensperre verhängt, indem freiwerdende Positionen nicht mehr neu besetzt werden. Damit soll das Budgetdefizit reduziert werden. Der Erfolg dieser Vorschläge hängt aber von der freiwilligen Mitarbeit aller Beteiligten ab.

Diese Massnahmen von Carter zur Bekämpfung der Infaltion wurden mit grosser Skepsis aufgenommen, da erfahrungsgemäss freiwillig auferlegte Beschränkungen auf dem Lohn- und Preissektor wenig nützen. Zudem wird im Programm der Carter Regierung immer mehr ein Widerspruch sichtbar: Einerseits setzt sie ein defizitäres Wohlfahrtsprogramm fort und andererseits ist von Sparmassnahmen die Rede, die nicht greifen. Mit völligem Misstrauen reagierte das Ausland auf die Vorschläge Carters, was zur Folge hatte, dass der Wechselkurs des Dollars ein neues Tief erreichte.

25. Oktober 1978

Im Ausland wenig verstanden

Jimmy Carter ist einer jener amerikanischen Präsidenten, die im Ausland wenig verstanden werden. Doch sollte man Carter nicht unterschätzen. Er wurde mit überzeugender Mehrheit von der amerikanischen Bevölkerung gewählt. Carter entspricht mehr dem, was die Amerikaner selbst von sich halten, und nicht dem, wie sich das Ausland den amerikanischen Präsidenten vorstellt.


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