University of Notre Dame
Archives   


The Story of Notre Dame


Amerika - Europa

Ein transatlantisches Tagebuch 1961 - 1989

Klaus Lanzinger


2. Juni 1982

Die Belagerung hat begonnen

Der Vormarsch der britischen Einheiten über Ost-Falkland nach Port Stanley war von heftigen Kämpfen begleitet, die beiden Seiten empfindliche Verluste gebracht haben. Der Krieg um die Falkland-Inseln, der zwar nie erklärt, in dem aber heftig gekämpft worden ist, steht nun vor der entscheidenden Auseinandersetzung. Die rund 10.000 Mann starke argentinische Garnison von Port Stanley ist von allen Seiten eingeschlossen. Die Belagerung hat begonnen.

Einführende Vorbemerkung

[Präsident Ronald Reagan nahm vom 4.-6. Juni 1982 am Gipfeltreffen der G-7 (Gruppe der sieben führenden Industrienationen) in Versailles teil. Am 7. Juni traf er im Vatikan zum erstenmal mit Papst Johannes Paul II. zusammen, und am 8. Juni hielt er die Rede vor dem britischen Parlament, in der er voraussagte, dass das kommunistische Regime in Osteuropa in sich selbst zusammenbrechen wird. Zwei Tage später, am 10. Juni, kam Reagan zu einem kurzen Besuch nach Berlin. Er fuhr zum “Checkpoint Charlie,” wo er zum erstenmal die Mauer sah. Als ihn ein Reporter fragte, welchen Eindruck die Mauer auf ihn gemacht habe, antwortete er: “It's as ugly as the idea behind it” (Es ist so hässlich wie die Idee, die dahintersteckt). Siehe Morris, Dutch: A Memoir of Ronald Reagan, p. 461.]

10. Juni 1982

Treuebekenntnis an der Mauer

Wie seine Vorgänger im Amt legte auch Präsident Reagan ein Treuebekenntnis an der Berliner Mauer ab. Er versicherte, dass die Vereinigten Staaten Berlin nicht im Stich lassen werden, und dass sie zur Verteidigung der Bundesrepublik und Westeuropas stehen.

South Bend, 15. Juni 1982

Der Krieg ist zu Ende

Im letzten Augenblick hat doch noch die Vernunft gesiegt. Hoffnungslos von allen Seiten umstellt, hat sich der Kommandant der argentinischen Garnison von Port Stanley zur Waffenniederlegung entschlossen. Damit wurde ein sinnloses Blutvergiessen von möglicherweise Tausenden verhindert, denn zum Schluss standen 9.000 britische an die 14.000 argentinischen Soldaten gegenüber. Der Krieg um die Falkland-Inseln oder Malwinen ist zu Ende.

[Margaret Thatcher gibt einen detaillierten Überblick über den Verlauf des Falkland-Konfliktes, vor allem aber auch über die vielseitigen, jedoch gescheiterten diplomatischen Bemühungen, eine friedliche Lösung herbeizuführen. Der “Falklands War” war die schwerste Herausforderung ihrer Regierungszeit. Siehe Thatcher, The Downing Street Years, pp. 173-235.]

27. Juni 1982

Rascher Wechsel

Der rasche Wechsel im State Department, der über dieses Wochenende vollzogen wurde, verwundert nicht nur das Ausland, sondern lässt auch die amerikanische Bevölkerung rätselraten. Am vergangenen Freitag, den 25. Juni, gab Präsident Reagan in einem kurzen Kommuniqué den Rücktritt von Secretary of State Alexander Haig bekannt, während er gleichzeitg George Shultz als dessen Nachfolger designierte. Was hat den Rücktritt von Alexander Haig bewirkt? Eine Reihe von Mutmassungen sind im Umlauf: Missstimmungen im engeren Mitarbeiterkreis im Weissen Haus sind schon lange laut geworden. Es gab Kontroversen zwischen Haig und Secretary of Defense Caspar Weinberger. Schliesslich traten auch Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Aussenpolitik zwischen Haig und Reagan auf.

[Alexander Haig schied nicht freiwillig aus dem Amt. Er wurde faktisch von Präsident Reagan entlassen. Vgl. dazu Morris, Dutch: A Memoir of Ronald Reagan, p. 463.]

South Bend, 29. Juni 1982

Nie so wahr

Heute wurde meine Frau am US District Court in Hammond, Indiana, auf die amerikanische Verfassung eingeschworen. So sind nun alle vier Mitglieder unserer Familie amerikanische Staatsbürger geworden. Es war ein schier endloser Papierkrieg, der zehn Jahre gedauert hat. Doch all die Anträge, Bittgänge auf Konsulaten und bei der Einwanderungsbehörde haben nun ein glückliches Ende gefunden. Es galt, einfach nicht die Geduld zu verlieren und die gesetzlich vorgeschriebenen Bewährungsfristen einzuhalten. Die Angelobung auf die US Constitution ist immer ein feierlicher Anlass. In jedem Gesicht der 62 Antragsteller, die sich im Gerichtssaal versammelt hatten, war die innere Bewegung abzulesen. Jeder ist auf seine Weise diesen Weg gegangen.

Nie wird Amerika so wahr wie im Augenblick der “naturalization” oder Einbürgerung. Alle falschen Vorstellungen und Illusionen entschwinden, jede billige Phrase würde im Munde steckenbleiben. Die Einbürgerung bedeutet für jeden einen neuen Anfang.

Während der Richter die Neubürger über ihre Rechte und Pflichten unterrichtete, drang durch das Fenster des Gerichtssaales das Kreischen und der Pfiff einer Verschubmaschine. Das Court House in Hammond liegt neben einem Verschubbahnhof mitten im Industriegebiet von Gary und East Chicago. Die Härte und zugleich auch die Grosszügigkeit des Landes sowie das Gefühl der Freiheit und Sicherheit wurden in diesem Augenblick mit einer Intensität empfunden, wie sie bislang nicht erlebt worden war.


<< Lanzinger >>