Das höchste Richteramt
Die brisanten hearings (Anhörverfahren) von William Rehnquist für das höchste Richteramt, die Bestellung zum Chief Justice of the US Supreme Court, vor dem Rechtsausschuss des Senats zeigen wiederum, wie sehr 200 Jahre Verfassungsgeschichte in der amerikanischen Denkweise verankert sind. Es wird die ganze Verfassungsgeschichte aufgerollt. Der Kandidat wird ausführlich befragt, wie er zu den wichtigen Bestimmungen der Verfassung steht. Dazu gehören u.a. das First Amendment (der erste Zusatzartikel zur US-Verfassung von 1791 über freie Meinungsäusserung) und due process of law, die Bestimmung zur formgerechten Prozessführung im 5. Zusatzartikel. Es werden auch historisch bedeutende Fälle, die der US Supreme Court behandelt hat, zur Frage gestellt, wie z.B. Marbury v. Madison (1803, die Entscheidung von Chief Justice John Marshall, dass das Bundesgesetz der Union über den Gesetzen der Einzelstaaten steht) und aus der jüngeren Geschichte Brown v. Board of Education (1954, die Aufhebung der Rassentrennung in den Schulen). So verschieden die Meinungen auch sonst sein mögen, in einem sind sich alle einig: Der US Supreme Court ist unantastbar die letzte Instanz, die entscheidet, was verfassungsgerecht, und was verfassungswidrig ist.
Nachtrag
[Rehnquist wurde während der hearings von der liberalen Seite als zu konservativ scharf angegriffen. Seine Nominierung zum Chief Justice wurde jedoch vom Senat bestätigt. Er wurde am 26. September 1986 als Chief Justice of the US Supreme Court eingeschworen. Gleichzeitig wurde auch Antonin Scalia als Justice of the US Supreme Court angelobt.
William H. Rehnquist wurde 1924 in Milwaukee, Wisconsin, geboren. Er studierte Rechtswissenschaft an der Harvard und an der Stanford University. Von 1953-69 war er als Anwalt in Phoenix, Arizona, tätig; 1969-71 diente er als Assistant Attorney General im US Department of Justice; 1971-86 war er Justice und ab 1986- Chief Justice of the US Supreme Court. Rehnquist ist auch der Autor mehrerer Bücher über den Obersten Gerichtshof.
Antonin Scalia wurde 1936 in Trenton, New Jersey, geboren. Studium der Rechtswissenschaft an der Georgetown University und an der Harvard. Von 1960-82 übte er zuerst eine Anwaltspraxis aus und verfolgte dann eine akademische Laufbahn; er lehrte als Professor der Rechtswissenschaft zuerst an der University of Virginia und dann an der University of Chicago. 1982 wurde Scalia als Richter im US Court of Appeals for the District of Columbia (Berufungsgericht in Washington, DC) bestellt und 1986 zum Justice of the US Supreme Court ernannt.
Wohl die schwierigste und historisch weitreichendste Entscheidung, die der Rehnquist Court zu treffen hatte, war bei der US-Präsidentenwahl 2000. Am 14. Dezember 2000 fällte der US Supreme Court das 5:4 Urteil, dass die manuelle Nachzählung der Wählerstimmen in Florida verfassungswidrig ist und daher eingestellt werden muss. Demnach fielen die 25 Wahlmännerstimmen von Florida George W. Bush zu, der damit die Präsidentschaft gewann.]
South Bend, 13. August 1986
Ein trauriges Jubiläum
Vor 25 Jahren am 13. August 1961 wurde die Berliner Mauer errichtet - ein trauriges Silberjubiläum. In der Zwischenzeit hat sich an der Mauer und am Status von Berlin wenig geändert. Was wird die Zukunft bringen? Wie lange wird die Mauer noch stehenbleiben?