Überraschung bei den Demokraten
Der bereits feststehende demokratische Präsidentschaftskandidat Michael Dukakis sorgte heute für eine Überraschung, als er in der historischen Faneuil Hall von Boston den Senator aus Texas Lloyd Bentsen als seinen running mate, Mitkandidaten für das Amt des Vizepräsidenten vorstellte. Dukakis möchte damit offensichtlich das Beispiel von John F. Kennedy wiederholen, der 1960 ebenso mit Lyndon B. Johnson einen Senator aus Texas als Mitkandidaten gewählt hatte, um einen regionalen Ausgleich zu erzielen. Jesse Jackson, der auf Grund seines Erfolges bei den Vorwahlen einen gewissen Anspruch auf die zweite Position geltend machte, wurde übergangen, eigentlich überhaupt nicht erwähnt. Es könnte dadurch wieder zu einer verhängnisvollen Spaltung innerhalb der Demokratischen Partei kommen.
17. Juli 1988
Im Triumphzug nach Atlanta
Zum Teil bestürzt, zum Teil amüsiert hat die amerikanische Öffentlichkeit den Auftakt zum Parteikonvent der Demokraten in Atlanta, Georgia, verfolgt. Die afro-amerikanische Bevölkerung fühlte sich durch das Vorgehen von Governor Dukakis bei der Wahl seines Mitkandidaten vor den Kopf gestossen und hintergangen. Jesse Jackson, emotionell aufgebracht, erreichte mit einer Autokarawane von Chicago im Triumphzug Atlanta. Der Aufmarsch erinnerte an die Bürgerrechtsproteste der 60er-Jahre, die man bereits für überwunden glaubte.
19. Juli 1988
Über sich selbst hinausgewachsen
Reverend Jesse Jackson ist heute mit seiner Rede vor dem Parteikonvent der Demokraten über sich selbst hinausgewachsen. Er ist derzeit ohne Zweifel einer der besten Rhetoriker in Amerika. Er kann seine Zuhörer bewegen. Die einprägsame Bildhaftigkeit seiner Sprache kommt aus der Tradition der afro-amerikanischen Baptistenprediger. Obwohl das Vorgebrachte teilweise der politischen Realität nicht standhält, legt er den Finger auf die sozialen Wunden von Amerika und rüttelt das Gewissen auf. Jackson hat jene benachteiligten Randschichten der amerikanischen Bevölkerung mobilisiert, die bisher vom politischen Geschehen apathisch abseits standen. Er hat das Selbstbewusstsein dieser Wählerschichten gestärkt und sie in den demokratischen Prozess miteinbezogen.
21. Juli 1988
The American Dream
Michael Dukakis ist selbst die Verwirklichung des Amerikanischen Traumes. Sein Vater Panos Dukakis war 1912 aus Griechenland mit 20 Dollar in der Tasche in Ellis Island angekommen. Er wurde Arzt und sein Sohn Michael, der das Amt des Gouverneurs von Massachusetts einnimmt, steht nun an der Schwelle, möglicherweise Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Michael Dukakis den American Dream als Thema seiner Rede zur Annahme der Kandidatur als Präsidentschaftskandidat gewählt hat. Dukakis wirkte glaubwürdig. Er hofft, mit diesem Wahlthema die breite Masse der amerikanischen Bevölkerung ansprechen zu können. Es ist ihm auch gelungen, die Demokratische Partei weitgehend geeint in den kommenden Wahlkampf zu führen.
Anmerkung
[Der American Dream ist in der Literatur vielfach in sein Gegenteil umgekehrt worden: Vom Traum zum Albtraum und von der Utopie zur Dystopie. Natürlich gibt es viele Fälle, in denen sich die Erwartungen von Amerika nicht erfüllt haben, besonders wenn die Einwanderung im Elend der Slums steckenblieb. Aber es soll nicht übersehen werden, dass für Millionen von Menschen der Amerikanische Traum in Erfüllung gegangen ist. Die Erfolgsgeschichte der Familie Dukakis ist nur eine von vielen. Der Amerikanische Traum hat universale Bedeutung, denn Menschen jeglicher Herkunft haben den Wunsch nach Erfolg und Wohlstand. Es ist der elementare Wunsch, selbst ein Stück Land und ein Haus zu besitzen, einen guten Job zu haben, und für die Zukunft vorsorgen zu können. Damit verbunden ist auch der Wunsch nach Freiheit und Selbstverwirklichung. Der Amerikanische Traum hat sich im Laufe der Einwanderungsgeschichte als mächtige Anziehungskraft erwiesen, die Menschen aus allen Teilen der Welt, oft unter den schwierigsten Umständen, nach Amerika brachte. Der American Dream hat ebenso seine starke Wirkung auf die soziale Mobilität der amerikanischen Gesellschaft. Er festigt die optimistische Überzeugung, dass durch Anstrengung und Fleiss jedem der Weg nach oben offensteht, und dass jeder an den vielen Möglichkeiten, die Amerika bietet, teilhaben kann.]
[Meine Frau und ich sind Mitte August 1988 zur Hochzeit unseres Sohnes Franz nach Sunnyvale, Kalifornien, gekommen. Unsere Schwiegertochter Susan ist geborene Kalifornianerin. Ihre Eltern, die von Iowa nach Kalifornien kamen, sind in der dritten Generation norwegischer Herkunft. So hat sich unsere amerikanische Verwandtschaft um einen norwegischen Zweig erweitert. Die folgende Aufzeichnung gibt die Eindrücke von einem Ausflug nach San Francisco und um die San Francisco Bay Area wieder.]