Gorbatschow überrascht die Welt
Schon seit Wochen war man auf eine dramatische Ankündigung gefasst, doch was Mikhail Gorbatschow heute vor dem Plenum der Vereinten Nationen zu sagen hatte, überraschte und verblüffte die Welt. Gorbatschow gab schlicht und einfach bekannt, dass die Sowjetunion unilateral im Verlaufe von zwei Jahren ihre Truppen um 500.000 Mann reduzieren wird. Gleichzeitig versprach er, sechs Panzerdivisionen aus der DDR, CSSR und Ungarn abzuziehen, bzw. aufzulösen. Das würde es möglich machen, dass die USA ihrerseits ihren Truppenbestand in Europa verringern. Der Entspannungsdialog hat dadurch einen neuen Impuls erfahren. Gorbatschow entwickelte ferner seine Vision einer neuen, interdependenten Welt, in der das Verlangen nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit immer vordringlicher werde. Es bleibt allerdings die Frage offen: Wird Gorbatschow seine weitreichenden innovativen Ideen auch zu Hause durchsetzen können?
Nachtrag
[Unmittelbar nach seiner Rede vor den Vereinten Nationen traf Gorbatschow mit President Reagan und Vice President George Bush auf Governors Island zu einer Konferenz zusammen. Diese Insel liegt vor der Südspitze von Manhattan schräg der Statue of Liberty gegenüber an der Einfahrt zum East River. Das war das letzte Treffen von Ronald Reagan mit Gorbatschow. Es gab Gorbatschow auch die Gelegenheit, mit dem President-elect George Bush Kontakt aufzunehmen. Am einprägsamsten war das Bild, welches den Präsidenten der Sowjetunion Mikhail Gorbatschow zusammen mit dem aus dem Amt scheidenden US-Präsidenten Ronald Reagan und dem neugewählten Präsidenten George Bush auf Governors Island zeigte. Das Bild wurde gegen den Hintergrund der Statue of Liberty aufgenommen, die als Symbol der Freiheit mit ausgestrecktem Arm die Fackel hoch in die Lüfte hob.]
8. Dezember 1988
Das Erdbeben im Kaukasus
In den kaukasischen Republiken der Sowjetunion - Georgien, Armenien und Aserbaidschan - hat sich ein Erdbeben in der Stärke von 6.9 auf der Richterskala ereignet. Ganze Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht. Die Menschenopfer gehen in die Zehntausende, die Obdachlosen in die Hunderttausende. Präsident Gorbatschow hat seinen Amerikaaufenthalt abgebrochen und ist nach Moskau zurückgeflogen, um die Hilfsmassnahmen in die Wege zu leiten.
8. Dezember 1988
Das neue Vertrauen
Auf seiner letzten Pressekonferenz im Weissen Haus brachte President Reagan heute Abend zum Ausdruck, dass er Gorbatschow vertraue. Auf die Frage, ob er glaube, dass Gorbatschow die Sowjetunion in ein weniger bedrohliches Land umwandle, antwortete er emphatisch: Yes, I do. In der Sowjetunion, betonte er, bahnen sich Änderungen an, die eine engere freundschaftliche Zusammenarbeit für den Frieden möglich mache.
[Der volle Text dieser bewegenden Abschiedsrede von Ronald Reagan von der Presse, die zugleich in Frage und Antwort einen breiten Überblick über die damalige aussen- wie innenpolitische Lage der Vereinigten Staaten bietet, ist in der New York Times, December 9, 1988, p. A18, abgedruckt.]
South Bend, 13. Dezember 1988
Bereits ein Museumsstück
Die Weltraumkapsel von Apollo 8, mit der die Astronauten Frank Borman, James A. Lovell, Jr., und William A. Anders am 24. Dezember 1968 zum erstenmal den Mond umkreisten, wird nun im Museum for Science and Industry in Chicago ausgestellt. Apollo 8 hat die eindrucksvollsten Bilder von der Mondoberfläche zur Erde zurückgesandt. Gleichzeitig sind die Bilder von der Erde als eine im Weltraum schwebende blaue, weissmarmorierte Kugel zur bleibenden Vorstellung unseres Planeten geworden. Apollo 8 ist ein greifbarer Beweis dafür, wie rasch sich die Weltraumfahrt entwickelt hat. Das Raumschiff Apollo 8 hat vor 20 Jahren in der bemannten Weltraumfahrt Geschichte gemacht. Nun ist die Kapsel, die zum erstenmal den Mond umkreiste, bereits zum Museumsstück geworden.
[Über den Mondflug von Apollo 8 siehe oben die Eintragungen vom 21., 23. und 24. Dezember 1968.]
South Bend, 21. Dezember 1988
Lockerbie
Soeben kam die Nachricht durch, dass über Südschottland eine Boeing 747 der Pan Am auf dem Flug von London nach New York abgestürzt ist. Teile der in Flammen aufgegangenen Maschine sind wie ein Feuerregen auf das Dorf Lockerbie niedergegangen.
29. Dezember 1988
Was von Anfang an vermutet wurde, hat sich nun bestätigt: Die über Lockerbie abgestürzte Boeing 747 der Pan Am, Flug 103, war das Opfer eines Terroranschlages. In 10.000 Meter Flughöhe explodierte im Gepäckraum eine Bombe, die das Flugzeug in Stücke zerriss. Es gab keine Überlebenden. Unter den 258 Opfern befanden sich 35 Studenten der Syracuse University, die an einem Überseestudienprogramm in London teilnahmen und über Weihnachten nach Hause flogen. Im Dorf Lockerbie wurden durch die herabfallenden brennenden Teile an die zehn Menschen plötzlich aus dem Leben gerissen. Offen bleibt die Frage, wer für dieses entsetzliche Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden kann.