Bemühungen um eine europäische Sicherheitskonferenz
Alle Anstrengungen der gegenwärtigen internationalen Gespräche zielen auf eine europäische Sicherheitskonferenz ab, die durch das Einschwenken der bundesdeutschen Regierung unter Willy Brandt auf eine realistische Ostpolitik eine bisher nicht gekannte Dynamik entwickelt. Die Staaten des Ostblocks sind an einer solchen Konferenz weitgehend interessiert und auch zu Konzessionen bereit, während sich für den Westen die Chance einer Entspannungsphase in Mitteleuropa anbietet. Der Preis für diese Entspannung ist aber offensichtlich die Legalisierung des Status quo der Grenzen in Mitteleuropa sowie die Anerkennung der DDR. Da dies faktisch ohnedies schon geschehen ist, könnte die angestrebte Sicherheitskonferenz einen bedeutenden Beitrag zur Schaffung geordneter Verhältnisse in Mitteleuropa leisten und gleichzeitig die eingeleitete Entspannunsgpolitik zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion erleichtern. Nach 25 Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wäre es an der Zeit, stabile Verhältnisse in Europa zu schaffen.
Innsbruck, 19. November 1969
In dieser Worche begannen in Helsinki die bilateralen Gespräche zwischen den USA und der Sowjetunion über die Begrenzung strategischer Waffen oder SALT (Strategic Arms Limitation Talks), um ein atomares Gleichgewicht herzustellen. Dies ist auch für die europäische Sicherheitskonferenz von Bedeutung. Ohne Zweifel tritt eine Phase von Konferenzen ein, die seit Jalta und Potsdam wohl die wichtigsten sein könnten, in denen das Schicksal Mitteleuropas entschieden wird.
Anmerkung
[Henry Kissinger erwähnt in seinen Memoiren, White House Years (Boston: Little, Brown and Co., 1979, pp. 143-45), dass schon seit Februar 1969 vorbereitende Gespräche zwischen ihm und dem russischen Botschafter in Washington Anatoly Dobrynin über SALT stattgefunden hatten. Nach langen Verhandlungen und Ausarbeitung verschiedener Entwürfe kam es im Mai 1972 in Moskau zum SALT I Abkommen. Die Schlussakte zur Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) wurden Ende Juli, anfangs August 1975 in Helsinki unterzeichnet.]
Innsbruck, [Mitte November] 1969
Die Hoffnung für die Zukunft
Die akademische Jugend in Europa ist der amerikanischen so ähnlich geworden, dass es schwer fällt, noch einen Unterschied zu finden. Die Jugend ist heute allgemein von einer weltweiten Bewegung erfasst worden, die sich überall in Kleidung, Verhalten und Denken gegenseitig angleicht. Sie ist der älteren Generation überall gleich unheimlich. Doch positiv ist an dieser Entwicklung der Umstand zu werten, dass die junge Generation in eine globale Zivilisation hineinwächst, die das allgemeine menschliche Verständnis fördert und sie einander näher bringt als je zuvor. Und darin liegt doch eine gewisse Hoffnung für die Zukunft.
Innsbruck, [Ende November] 1969
Das Ringen um die Demokartie in Europa
Die meisten Länder in Europa machen derzeit verzweifelte Anstrengungen, um zu besseren und effektiveren Formen der Demokratie zu finden. Die permanenten Streikwellen in Italien, die tiefgreifende Unzufriedenheit in Frankreich, die Auseinandersetzung mit der Diktatur in Spanien und Griechenland, wie überhaupt die linksgerichtete Unterminierung bedrohen die freie demokratische Regierungsform. Dazu kommt die historische Belastung. Die Demokratie hat in Europa ein Versäumnis von fast 150 Jahren nachzuholen.