University of Notre Dame
Archives   


The Story of Notre Dame


Amerika - Europa

Ein transatlantisches Tagebuch 1961 - 1989

Klaus Lanzinger


South Bend, 24. September 1972

Ein gesteigertes Selbstbewusstsein

In den Vereinigten Staaten lässt sich derzeit die Tendenz verfolgen, dass “ethnic groups,” d.h. Volksgruppen verschiedener ethnischer Herkunft selbstbewusster auftreten. Das Bürgerrechts-gesetz von 1964 hat wesentlich zu diesem gesteigerten Selbstbewusstsein beigetragen. Ethnische Minderheiten besinnen sich mehr auf ihr kuturelles Erbe und machen ihre Rechte als Staats-bürger geltend. Folgendes Beispiel mag dieses neue Selbstbewusstsein beleuchten. Ein Rechtsberater, welcher dem hiesigen Stamm der Potawatomi Indianer angehört, geht während der Woche in sein Büro, setzt aber am Wochenende seinen Federkopfschmuk auf und nimmt an dem Ritualtanz seines Stammes teil. Dieses gesteigerte Selbstvertrauen macht sich vor allem auch bei den vielen Volksgruppen europäischer Herkunft bemerkbar. Hinsichtlich der Einwanderungspolitik liegt der grosse Unterschied zu den Industrieländern in Europa darin, dass Amerika Einwanderer nicht als Fremdarbeiter mit beschränktem Aufenthalt ins Land nimmt, sodern ihnen nach fünf Jahren die Staatsbürgerschaft verleiht. Dadurch sind die Millionen von Einwanderern, die als Industriearbeiter ins Land kamen, nicht zum Fremdkörper geworden, sondern haben sich assimiliert. Nur so konnte der amerikanische Schmelztiegel mit seiner ethnischen Vielfalt entstehen, die nun mehr als bisher selbstbewusst in Erscheinung tritt.

South Bend, 27. September 1972

Ein Museum für die Einwanderung

Ein Beweis für die Aufmerksamkeit, die neuerdings den “ethnic groups” in Amerika geschenkt wird, ist das neue Immigration Museum am Fusse der Statue of Liberty, das gestern von Präsident Nixon eröffnet wurde. Dieses Museum dokumentiert die grosse Einwanderungswelle vor dem 1. Weltkreig, die Millionen von Menschen hauptsächlich aus Süd- und Osteuropa nach America gebracht hat.

[Bereits 1965 wurden die Freiheitsstatue und Ellis Island zum Statue of Liberty National Monument zusammengeschlossen. Ellis Island war von 1892 bis 1943 die Aufnahmestation für ankommende Einwanderer im Hafen von New York. In diesem Zeitraum sind an die 17 Millionen Menschen durch Ellis Island gegangen und in die Vereinigten Staaten eingewandert. Die Nachkommen dieser grossen Einwanderungswelle machen mehr als ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung aus. Es soll nicht übersehen werden, dass Amerika noch ein junges Einwanderungsland ist. Aus Ehrfurcht vor dem historischen Erbe, das Ellis Island darstellt, wurde das Hauptgebäude restauriert und 1990 als Ellis Island Immigration Museum eröffnet.]


<< Lanzinger >>