Der Wunsch nach mehr Freiheit
Auf der Europäischen Sicherheitskonferenz (ESK) in Genf und Helsinki besteht im Prinzip darüber Einigkeit, dass der Status quo der europäischen Grenzen vertraglich gesichert werden soll. Damit werden eigentlich nur die aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangenen neuen Machtverhältnisse realpolitisch zur Kenntnis genommen. Der Osten pocht auf Koexistenz und möchte seinen Machtbereich abgesichert wissen. Der Westen drängt hingegen auf mehr Freiheit. Demnach sollen bis zum Vertragsabschluss folgende Punkte berücksichtigt werden:
Durch einen freizügigeren Personenaustausch und eine verbesserte Information über die Grenzen hinweg könnte die De-facto-Teilung von Europa gemildert werden. Sollte dieses Abkommen zustandekommen, wäre es zwar ein bescheidener, aber dennoch beachtenswerter Erfolg. Man erwartet, dass die ESK noch bis Ende dieses Jahres, spätestens aber 1975 abgeschlossen werden kann.
Innsbruck, 14. Juli 1974
Das europäische Rückgrat
Die deutsch-französische Aussöhnung sowie die Zusammenarbeit zwischen Paris und Bonn bilden ganz offensichtlich das Rückgrat der EG und somit des im Entstehen begriffenen neuen Europas.
Innsbruck, 20. Juli 1974
Die Zypernkrise
Der Sturz von Erzbischof Makarios als Präsident der unabhängigen Republik Zypern sowie der Versuch der Nationalgarde, Zypern an Griechenland anzuschliessen, hat nicht nur eine schwere Krise auf dieser kleinen Insel im östlichen Mittelmeer ausgelöst, sondern auch die NATO belastet. Durch die türkische Invasion zum Schutz der türkisch-zypriotischen Minderheit, die in den heutigen Morgenstunden erfolgte, droht der Krieg zwischen Griechenland und der Türkei auszubrechen. Da beide Länder Mitgliedstaaten der NATO sind, wird das Nordatlantische Verteidigungsbündnis auf eine heikle Probe gestellt. Wie soll sich die NATO verhalten, wenn es zwischen zwei ihrer Mitgliedstaaten zum Krieg kommt? Obwohl die Sowjetunion in diesem Falle stillschweigend die Türkei unterstützt, wird das Einverständnis zwischen den Gross-mächten verhindern, dass es zu einer Ausweitung des regionalen Konfliktes kommt.
Nachtrag
[Zypern blieb jahrelang in einen blutigen Bürgerkrieg verwickelt. Durch die Verneinten Nationen wurde mehrmals ein Waffenstillstand vermittelt. Es kam zur Teilung der Insel in einen türkisch-zypriotischen Norden (ca. ein Drittel des Landes) und in einen griechisch-zyprioptischen Süden mit der Hauptstadt Nikosia. Zypern hatte in den 70er-Jahren eine Bevölkerung von rund 650.000, wovon ein Viertel der türkisch-zypriotischen Volksgruppe angehörte. Seit der Teilung steht eine Friedenstruppe der UNO entlang der Demarkationslinie Wache, um Übergriffe zu vermeiden.]